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Wie es ist, trans zu sein

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Ich weiß, wer ich bin. Ich bin eine Frau und möchte als solche mein Leben leben. Doch mein Körper ist der eines Mannes.

Dadurch gehöre ich zu den Personen, die es nicht vermeiden können, dass man uns ansieht, dass wir anders sind. Das wollen wir nicht unbedingt, aber es ist so. Damit müssen wir leben. Viele Transpersonen versuchen alles, damit man ihnen nicht ansieht, dass sie „trans“ sind. Einige wenige haben aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen das Glück, das erreichen zu können. Ich nicht. Ich werde als Frau mit 1,90 m Körpergröße, breiten Schultern und großen Händen immer auffällig sein. Ich habe deshalb nur die Wahl, ein verzweifelter Mann oder eine auffällige Frau zu sein.

Die meisten Menschen nehmen mich ganz selbstverständlich, wie ich mich gebe: als Frau. Ob sie mich wirklich als Frau sehen, oder ob sie glauben, dass ich “eigentlich” doch ein Mann bin, weiß ich nicht. Letztlich ist es aber egal, solange sie mich als Frau behandeln. Diesen Menschen bin ich dankbar, weil sie mir das Gefühl geben, dass ich akzeptiert werde.

Es gibt immer ein paar Prozent, die, weil sie dumm sind oder gemein oder betrunken, in mir ein Objekt für ihre Niedertracht sehen. Sie rufen: „Hey, da ist ein Mann in Frauenkleidern!“. Sie suchen Aufmerksamkeit und vielleicht Verbündete, um auf meine Kosten ihren Spaß haben zu können. Sie rufen mir Beleidigungen zu oder versuchen mich anderweitig zu demütigen und vielleicht sogar zu verletzen. Solche Situationen machen mir Angst. Ich fühle mich hilflos und weiß doch, dass ich eine Stärke zeigen muss, die ich gerade nicht habe, weil nur gezeigte Stärke mich schützt. Ich darf ihnen nicht die Chance geben, dass sie mich verletzen. Weder psychisch noch physisch.

Doch solche Erfahrungen mache ich zum Glück selten. Ich bin froh, dass ich in Deutschland lebe, wo mich die Rechtsordnung schützt und man mich nicht steinigen oder misshandeln darf. In anderen Ländern selbst in Europa geht es Transpersonen viel schlechter. Trotzdem habe ich Angst, besonders nachts, wenn mir z.B. auf einer ansonsten einsamen Straße eine Gruppe fröhlicher, alkoholisierter Menschen entgegenkommt. Ich weiß, dass Transpersonen ein massiv erhöhtes Risiko haben, Opfer von Hassverbrechen zu werden. Menschen, wie ich provozieren ohne es zu wollen bestimmte Personengruppen. Aber ich darf mich nicht von dieser Angst beherrschen lassen.

Durch die in unserer Gesellschaft herrschende Vorstellung, dass allein der Körper uns zu Männern oder Frauen macht, werde ich zu einer Person, die es nicht geben darf. Das habe ich selbst auch lange geglaubt und mich dafür gehasst, dass ich so bin.

Mein Gender ist nur eine meiner Eigenschaften, doch weil mein Körper nicht dazu zu passen scheint, prägt es mein Leben viel mehr als es das sollte. Wie viele Menschen denken wohl intensiv darüber nach, ob sie ein Mann oder eine Frau sind? Ich muss mich dauernd damit auseinandersetzen, wer oder was ich bin und ob die anderen Menschen das akzeptieren. Ihr Interesse zwingt mich häufig dazu mich zu rechtfertigen. „Warum machst du das?“ Die Antwort „Weil ich nun mal so bin!“ erklärt nicht wirklich etwas. Ich könnte sagen, dass ich mich aus Verzweiflung umbringen würde, wenn ich nicht zumindest ein wenig von dem leben könnte, das mich im Inneren ausmacht. Tatsächlich kann ich es ebenso wenig erklären wie meine Augenfarbe. Ich bin halt so.

Manche sagen, sie finden mich und was ich tue mutig.

Einerseits ist das toll, weil ich tatsächlich mutig sein muss. Und weil ich lange Zeit gebraucht habe, überhaupt so mutig zu sein. Ich freue mich, dass das anerkannt wird.

Andererseits ist es für mich doch schwierig, denn die Aussage macht mir klar, dass ich nie eine ganz normale, unauffällige Frau zu sein werde. Ich werde weiterhin Mut brauchen, weil ich immer auffällig sein werde. Weil man mir trotz aller Mühe immer ansehen wird, dass ich nicht als Frau geboren wurde. Weil Frau sein in unserer Gesellschaft bedeutet, mit einem bestimmten Körper geboren worden zu sein.

Es hat allerdings auch ein paar Vorteile erkennbar „trans“ zu sein. Das sind nicht viele, aber immerhin.
Durch meine eigene Situation habe ich gelernt, dass man dem Schein nie trauen darf. Man kann keinem Menschen ansehen, wie er ist. Und ich habe gelernt, dass die Natur vielfältig ist. Sie ist bunt und entzieht sich starren Kategorien.

Der wichtigste Vorteil ist jedoch, dass ich durch meine erzwungene Selbstoffenbarung sehr schnellen und intensiven Zugang zu anderen Menschen bekomme. Die Menschen öffnen sich mir und erzählen mir Dinge von sich, die sie ansonsten nur engsten Freunden offenbaren würden, aber nicht einer Person, die sie vielleicht erst vor 10 Minuten kennengelernt haben.

Was wünsche ich mir?

Ich wünsche mir, nicht mutig sein zu müssen. Ich wünsche mir, mit meiner Besonderheit nicht aufzufallen. So wie niemandem auffällt, dass ich Linkshänderin bin.

Ich wünsche mir, dass die Menschen erkennen, dass Frauen und Männer nicht allein durch ihren Körper definiert werden, sondern mindestens ebenso so sehr durch ihre Psyche und Identität.

Ich wünsche mir, dass die Menschen akzeptieren, dass meine Selbstoffenbarung, wer und was ich bin, ehrlicher und richtiger ist, als der Anschein meines Körpers.

Ich will weder ein Freak noch ein Paradiesvogel sein. Deshalb bemühe ich mich, so normal und gut Frau zu sein, wie es mit dem Handicap meines Körpers möglich ist. Ich möchte so gesehen und behandelt werden wie alle anderen Frauen.

Querverweise

© Jula Böge 2016

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