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Verkleidungen

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Als Transgender auf Kostümpartys

Es ist Mal wieder soweit: die Zeit der Partys und Einladungen mit Kostümierung.

Verkleiden ist wie Rosenkohl oder Koriander: entweder man liebt es oder man hasst es.

Viele Menschen haben Spaß am Verkleiden. Sie schlüpfen zu Fasching, Halloween oder anlässlich einer lustigen Party gern in mehr oder weniger spaßige Kostüme und genießen die nicht alltägliche Rolle. Andere ziehen tendenziell einen Zahnarztbesuch vor, wenn sie zu einer Party mit Kostümzwang eingeladen werden.

Verkleidung im Fasching

Nun aber zum Thema. Da kommt eine Einladung zu einer Party mit Kostümzwang ins Haus geflattert. Was nun?

Ich habe ein zwiespältiges Verhältnis zu Verkleidungen. Ob ich sie toll oder grauenvoll finde, hängt vor allem davon ab, um welche Genderrolle es geht.

Verkleiden als Mann

Als Mann finde ich das grauenhaft. In männlicher Rolle auf eine Party mit Kostümzwang zu gehen, ist die mich der totale Horror.

Warum? Weil es mich dazu zwingt, Bestätigung in dieser Genderrolle zu suchen und zu bekommen. Ich die männliche Rolle für mich nun einmal falsch und unpassend. Mich als Mann zu verkleiden oder auch nur gesellschaftlich zu inszenieren, ist für mich wie ein Verrat an mir selbst. Es kommt mir vor wie eine bewusste Verleugnung, eine Distanzierung von meinem Inneren. Es hat mich viel zu viel Kraft gekostet, überhaupt zu mir zu stehen, mich anzunehmen, als das dieser Akt nicht wehtun würde.

Verkleidungen als Mann steigern mein vorhandenes Unbehagen zur Unerträglichkeit. Ich werde nicht bloß wie im Alltag, was schon schlimm genug ist, mit positiven Rückmeldungen zu einer mir unangenehmen Genderpräsentation konfrontiert. Viel schlimmer noch: durch den Akt der Verkleidung bzw. Inszenierung provoziere ich das auch noch. Das heißt, ich erwecke selbst den Anschein, als wollte ich in dieser Rolle Bestätigung.

Leider fehlt mir die Größe, das als Spiel zu sehen und mich mit weiblichem Selbstbewusstsein halt einfach mal als Mann zu kostümieren. So souverän wäre ich gerne.

Außerdem ist es der Sinn der Sache, dass man an der Verkleidung Spaß hat. Es ist wohl unnötig zu betonen, dass mir männliche Rollen einfach keinen Spaß machen. Ich bin nun einmal lieber Prinzessin als Bauarbeiter.

„Männliche“ Verkleidungen kommen die mich also nicht in Frage.

Neutrale Verkleidungen

Man kann sich natürlich auch als Tier, Pflanze, Gegenstand oder Begriff verkleiden. Da fiele bei mir zumindest schon mal der Ärger über das männlich sein müssen weg. Und lustig finde ich solche Verkleidungen auch.

Doch dabei gibt es für mich zwei Haken.

Der erste ist ganz persönlich: mir fehlt es an Fantasie, mir eine solche Verkleidung auszudenken und sie umzusetzen.

Der zweite (und eigentliche): das wäre doch eine vertane Chance! So viele Gelegenheiten zum Kostümieren habe ich nun doch nicht. Wieso sollte ich ein Smartphone sein, wenn ich auch eine Stewardess oder Frau Antje sein kann?

Weibliche Verkleidung

Ich finde ich nämlich die Möglichkeit, mich weiblich inszenieren können, in Ordnung. Nein, es ist mehr als bloß in Ordnung. Ich mache es sehr gerne. Über jeden Anlass, zu dem ich als Frau mal so richtig glänzen kann, freue ich mich: ein schickes Kleid, Schuhe, Schmuck, aufwändigeres MakeUp. Ich mag es, mich als Frau schön machen zu können. Es ist toll, schöne Kleider zu tragen und ich mag die Bewunderung, die ich dafür bekomme. Sie ist die von mir so dringend benötigte Bestätigung für meine Selbstsicht.

Hexe
© Jula Böge

Weibliche Verkleidungen mag ich auch sehr gerne. Ich habe immer noch intensive und gute Erinnerungen an die beiden Male (ja, nur zwei Mal!), bei denen ich in einer weiblichen Verkleidung unterwegs war. Einmal als Hexe zu Halloween und einmal auf einer Faschingsparty als Lara Croft.

Was mich dabei vorher etwas verunsichert hatte, war der Gedanke, dass ich nicht als verkleidete Frau, sondern als verkleideter Mann gesehen werden könnte. Dass also der Aspekt der weiblichen Rolle bloß wie ein Spiel wirken könnte. Menschen wie ich, deren Gender nicht bzw. nicht immer mit ihrem körperlichen Geschlecht übereinstimmt, stehen ein wenig unter diesem Verdacht. Vielleicht ist unser Problem aber auch bloß, dass wir befürchten, dass andere uns das unterstellen.

Um das zu vermeiden ist es wichtig, sich eine Verkleidung zu wählen, die für andere Frauen ebenfalls eine Verkleidung ist. Verkleidung bedeutet einen Wechsel der Rolle, sonst ist es keine Ver-kleidung, sondern bloß Kleidung.

Die Verkleidung muss also mehr kommunizieren als nur das Gender. Für einen Mann ist „Frau“ eine Verkleidung, für mich nicht. Es muss ein bestimmter Beruf oder Typus oder Nationalität sein. Also Hexe, Krankenschwester, Hippie, Marilyn Monroe, Spanierin. Auf keinen Fall darf es so wirken, als hätte ich mich einfach als „Frau“ zu verkleidet.

Kostümpartys als Testgelände

Ich glaube, dass viele Transgender sich das erste Mal im Rahmen von Karnevalsveranstaltungen oder Kostümfesten im anderen Gender ausprobiert haben und sich dazu tatsächlich schlicht als Frau oder Mann verkleidet haben. Heute würde ich das nicht mehr tun.

Doch bei mir war es nicht anders. Das allererste Mal, dass ich weiblich gekleidet in der Öffentlichkeit war, war während meines Studiums. Da bin ich in einem langen Kleid auf eine Faschingsparty gegangen. Vollkommen ungeschminkt, immerhin hatte ich wenigstens lange Haare. Damals war ich mit meinen weiblichen Bedürfnissen noch ziemlich im Krieg und hatte keinerlei Ambitionen, jemals wirklich als Frau leben zu können oder auch nur ernstgenommen zu werden. Ich glaube, damals war einfach der Unwille als Mann Aufwand in ein Kostüm zu stecken, der Grund für meine Verkleidung. Ich hätte damals mehr daraus machen sollen.

Denn Verkleidungen sind (wenn man Spaß daran hat), eine tolle Möglichkeit, dein eigenen Träumen ein wenig Realität zu geben. Das ist doch ein wesentlicher Gedanke bei Verkleidungen: man kann sich straffrei einmal in eine Rolle begeben, die man faszinierend findet.

Kostümpartys sind Inseln der Toleranz und Fluchtorte vor der Realität mit ihren Beschränkungen! Der riesige Vorteil ist, dass die üblichen Regeln, wie allen bewusst ist, gelockert sind. Wenn jemand ein Cowboy sein möchte, dann behandelt ihn als Cowboy, denn sonst wäre es ja nicht lustig. Auf diese umfassende Akzeptanz kann man sich verlassen. Weil alle wissen, dass es bloß ein Spiel ist und nicht direkt auf den Alltag übertragbar, kann man im Spiel die Rolle straffrei probieren. Es kann ja niemand ahnen, wie viel ernst dahinter steckt. Zudem muss man nicht perfekt sein. Auch Brüste aus Luftballons werden als das akzeptiert, was sie sein sollen 😉

Tatsächlich hat sich (in den beiden vielleicht nicht repräsentativen Fällen) gezeigt, dass die Weiblichkeit nicht als Witz, sondern sehr seriös (soweit man im Zusammenhang mit Fasching dieses Wort verwenden kann) aufgenommen wurde. Sprich: die Frauen haben mich als ihresgleichen akzeptiert und die Männer teils sehr irritiert reagiert. Auf keinen Fall kam es so rüber, als würde ich mich mit meiner Verkleidung über Weiblichkeit als solche lustig machen wollen.

Botschaften

Wenn ihr wissen wollt, wie es ist, mal das andere Gender zu haben, dann geht in dieser Genderrolle auf eine Kostümparty.

Wenn ihr die Genderrolle nicht thematisiert haben möchtet, dann wählt eine Verkleidung bei der die spezifische Rolle im Mittelpunkt steht: Pippi Langstrumpf, Minion, Einhorn oder Kaffeeautomat.

Querverbindungen

© Jula 2020

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