Vorbemerkungen:
1. Da die folgenden Ausführungen sich auf Rechtsthemen beziehen, gebe ich sicherheitshalber folgenden Rechtshinweis
2. Für die Sprache und Inhalte der von mir verlinkten Urteile und Gesetzestexte übernehme ich keinerlei Verantwortung.
Zunächst der empirische Befund.
Bei einer Abfrage der Juris-Datenbank bin ich nur auf gut 30 einschlägige Urteile und Gerichtsbeschlüsse in einem Zeitraum von über 15 Jahren gestoßen. Damit lässt sich die Behauptung rechtfertigen, dass es spezifische Rechtsprobleme von transidenten Menschen in Deutschland nur in äußerst geringem Umfang gibt. Liegt das vielleicht daran, dass hier etwas unter den Teppich gekehrt wird? Nein! Es liegt schlicht und ergreifend daran, dass unsere Besonderheit nur in geringem Umfang von rechtlicher Relevanz ist.
Grundrechte
Ausgangspunkt meiner subjektiv geprägten rechtlichen Erörterungen ist die grundrechtlich garantierte „freie Entfaltung der Persönlichkeit“. Aus ihr lässt sich ableiten, dass alles erlaubt (und auch grundrechtlich geschützt!) ist, was nicht aus einem speziellen Grund verboten ist.
Das BVerfG hat in einem Kammerbeschluss vom 15. August 1996, Az: 2 BvR 1833/95 klipp und klar gesagt: „Die Frage der Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen betrifft seinen Sexualbereich, den das GG als Teil der Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz von GG Art 2 Abs. 1 iVm Art 1 Abs. 1 gestellt hat. Die Achtung dieses Bereichs von staatlichen Organen schließt die Pflicht ein, die individuelle Entscheidung eines Menschen über seine Geschlechtszugehörigkeit zu respektieren.“
Na also! Das Bundesverfassungsgericht anerkennt, dass die Geschlechtszugehörigkeit eine Entscheidung des Individuums sein kann. Und diese Entscheidung haben die staatlichen Organe zu respektieren.
So weit, so gut, aber was bedeutet das konkret?
Es gibt verschiedene Bereiche, in denen das Recht für Transgender (im Sinne eines Oberbegriffes für CD/TV/TS) relevant ist.
Personenstandsrecht
Speziell für trans Personen aber auch in gewissem Umfang für offen lebende Crossdresser und Transvestiten stellt sich die Frage, wie sich das Leben im anderen Geschlecht auf den Personenstand auswirkt und ob man z.B. einen neuen Personalausweis verlangen kann.
Rechtsgrundlage hierfür ist im wesentlichen das sog. Transsexuellengesetz (TSG), wenn es um die Frage der Geschlechtszugehörigkeit und Namensänderung geht. Es heißt übrigens auch offiziell: „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“. Es führt im ersten Teil die Voraussetzungen für eine Vornamensänderung, im zweiten Teil jene für eine Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit auf. In beiden Fällen sind zwei unabhängig voneinander erstellte Sachverständigengutachten erforderlich. Es wird vorausgesetzt, dass die betroffene Person, die sich aufgrund Ihrer sexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet, seit mindestens 3 Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben.
Seit 2006 ist nicht zuletzt durch ein Urteil des BVerfG die Diskussion über eine grundlegende Reform des TSG in Gang gekommen.
Spätestens aber seit dem Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2011 ist das TSG bloß noch eine Hülle. Das Gericht kippte den OP-Zwang für die Personenstandsänderung. Das war überfällig, denn man konnte ihn nur als gesetzlich geregelte Zwangskastration ansehen. Seitdem sind im TSG geregelten Verfahrensunterschiede nicht mehr relevant. Es gelten also die gleichen Regelns sowohl für die Vornamens- als auch die Personenstandsänderung. Es ist aber immer noch langwierig, kostspielig und durch die vorgeschriebenen Gutachten nicht selbstbestimmt. Kurzum gilt auch für die noch bestehenden Reste: Weg mit dem TSG.
Mit dem Beschluss des BVerfG vom 10. Oktober 2017 gibt es im Deutschen Recht die Verpflichtung, eine dritte Option neben männlich und weiblich anzubieten.
Die Möglichkeit auch als Transperson von den Möglichkeiten des § 45b PersonenstandsG Gebrauch zu machen und schnell und einfach den rechtlichen Personenstand ändern zu lassen, wurde vom BGH verneint. Mehr dazu: Die Tür ist wieder zu!
Krankenversicherungsrecht
Das Recht auf medizinische Behandlungen, insbes. operative Maßnahmen zur Geschlechtsanpassung hat mit dem TSG nur indirekt etwas zu tun. Die rechtlichen Probleme bei solchen Behandlungen erschöpfen sich in der Frage, ob und in welchem Umfang die Krankenkassen oder -versicherungen verpflichtet sind, die Kosten zu übernehmen. Die zahlen für Behandlungsmaßnahmen aller Art nämlich nur, wenn es sich um Leistungen im Zusammenhang mit Krankheiten handelt.
Die Weltgesundheitsorganisation ordnet im ICD 10 die Störungen der Geschlechtsidentität (F64) unter die Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 – F69) ein. Das ist direkt neben der Gruppe der spezifischen Persönlichkeitsstörungen (F60), Störungen der Sexualpräferenz (F65) und psychischen und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung (F66). Differenziert wird darüber hinaus der Transsexualismus (F64.0), der Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen (F64.1), Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters (F64.2) und sonstige Störungen der Geschlechtsidentität (F64.8) und nicht näher bezeichnete Störung der Geschlechtsidentität (F64.9).
Zu der Frage, was denn überhaupt bezahlt werden muss, hat das Bundessozialgerichtsurteil (Az.: 1 RK 14/92) vom 10. Februar 1993 einen wesentlichen Beitrag zur Klärung der Lage geleistet. Grundlegend ist die Ansicht, dass psychische Störungen auch ausschließlich psychiatrische oder psychologische Behandlungsmaßnahmen zu rechtfertigen vermögen.
Die einzige Ausnahme bei der die psychiatrische Begründung ausschlaggebend für eine plastisch-chirurgische Maßnahme wird, besteht in der Transsexualität. Hier geht man davon aus, dass eine Störung des Gesamtzustandes des Patienten vorliegt, bei der eine innere Spannung zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht auftritt, die zu einem so schweren Leidensdruck führt, dass sich die Transsexualität im Einzelfall als behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts darstellt. Unter diesen Voraussetzungen kommt eine geschlechtsangleichende Operation dann in Frage, wenn psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis nicht lindern oder zu beseitigen vermögen.“
(Quelle: Abschlussbericht der Projektgruppe des MDK „Behandlungsmaßnahmen bei Transsexualität“ vom 21. 4. 2001, S. 14 ff mit interessanten Hinweisen auf die internationale Rechtslage).
Vereinfachende Zusammenfassung: wer unter einer „gestörten“ Geschlechtsidentität leidet, hat Anspruch darauf, dass medizinische Behandlungsmaßnahmen bezahlt werden. Dies gilt für operative Eingriffe nur, wenn Transsexualität vorliegt. Der Transvestit mit Wunsch nach eigenem Busen, wird ihn aus eigener Tasche bezahlen müssen.
Weitere wissenswerte Besonderheiten aus dem Krankenversicherungsrecht:
- Die Kassen müssen insbes. bei geschlechtsangleichenden Operationen nur zahlen, wenn die Frage der Kostenübernahme VORHER geklärt wurde. Dies geht unter anderem auch aus der Urteilsbegründung des BSG-Urteils 1 KR 18/96 R vom 9. Juni 1998 hervor.
- Die Kassen müssen nur Leistungen bezahlen, die von ihren Vertragspartnern (Vertragsärzte, zugelassene Einrichtungen) erbracht worden sind. So entschied das Sozialgericht Berlin im November 1997 (Az.: S 72 KR 74/97), dass die betroffene Krankenkasse die Kosten einer Privatkrankenhauspflege für eine Transsexualitätsoperation nicht zu erbringen habe, weil vergleichbare Behandlungsmöglichkeiten in Vertragskrankenhäusern bestehen.
- Die Kassen müssen nur Leistungen bezahlen, die im Repertoire des Kassenleistungskataloges enthalten sind. Langjähriger Quell von Ärger ist die Nichtabrechenbarkeit von Laserepilationen, weil die nicht im Katalog enthalten sind.
Schutz vor Diskriminierung (Zivilrecht)
Im Bereich der Beziehungen zwischen Privaten, insbesondere im Arbeitsrecht, stellt sich die Frage des Schutzes vor Diskriminierung.
Hier gibt es seit längerem schon EU-Rechtsnormen, die ein Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts oder auch der Geschlechtsidentität beinhalten. Eine Entscheidung des EuGH (Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1996 Aktenzeichen C-13/94, Entlassung einer Transsexuellen) hat hier für die europäische Rechtslandschaft die Grundsätze klargestellt. Seit dem haben sich praktisch bloß noch die Fundstellen der Rechtsnormen geändert.
Wie erwähnt, wird der Diskiminierungsschutz meist im Arbeitsrecht virulent. Die deutschen Arbeitsgerichte haben sich in der Vergangenheit einige Male mit spezifischen Problemen von trans Personen befasst. Knapp gesagt: die Arbeitsgerichte haben der Linie des EuGH folgend Diskriminierungen und unbegründete Ungleichbehandlungen immer abgestraft.
Interessante Entscheidungen gibt es zu folgenden Themen
- Recht auf ein Arbeitszeugnis
- Recht auf Arbeitskleidung des Zielgeschlechts
- Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung über das Geschlecht mit (zumindest für Juristinnen) interessanten Nebenüberlegungen zu der Frage, inwieweit das Geschlecht eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ im Sinne eines beachtlichen Irrtums ist.
Seit dem 18.8.2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Es betrifft sowohl das allgemeine Vertragsrecht als auch das Arbeitsrecht, bringt inhaltlich jedoch wenig Neues.
§ 1 Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
§ 2 Anwendungsbereich
(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:
1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2. die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3. den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5. den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6. die sozialen Vergünstigungen,
7. die Bildung,
8. den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.
….
(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.
Speziell für das Thema der Kündigung von Arbeitsverhältnissen ändert sich wegen § 2 Abs. 4 AGG nichts.
Für sonstige Verträge gilt § 19, der jedoch nicht viel hilft, wenn einen der Kellner wahnsinnigerweise nicht bedienen will. Was nutzt mir Schadenersatz und Schmerzensgeld später, wenn ich jetzt Hunger und Durst habe?
§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
ist unzulässig.
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 unzulässig.
(3) Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.
Die dargestellte Rechtslage führt mich zu zwei Aussagen:
- Diskriminierungen von transidenten Menschen, die bis vor die Gerichte gekommen sind, gibt es in Deutschland so gut wie nicht. Was natürlich keine Aussage darüber ist, wie sehr insbesondere Transsexuelle tatsächlich, speziell von Arbeitgebern, diskriminiert werden. Eventuell führt da die Beweislastumkehr des AGG und die damit verbundene größere Chance, mit der Behauptung diskriminiert worden zu sein, vor Gericht Erfolg zu haben, zu einer Veränderung. Wir werden es sehen.
- Ich habe keinen Fall gefunden, in dem ein DWT, CD oder TV wegen seines Verhaltens diskriminiert wurde UND dies auch ein gerichtliches Nachspiel hatte. Ich vermute, das liegt daran, dass diese Gruppe, speziell auf dem kritischen Feld des Arbeitsverhältnisses lieber unauffällig als Mann agiert.
Ausführliche Informationen zur Diskriminierung von Transgendern in der EU: Bürger, die nicht sie selbst sein dürfen
Unberücksichtigt bleiben an dieser Stelle jedoch die Fälle von Mobbing durch Vorgesetzte und Kolleg*innen. Das gibt es sicher. Doch habe ich keinen Fall recherchieren können, in dem es spezifisch um Mobbing in Zusammenhang mit der Transidentität des Opfers ging.
Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Ein weiterer Rechtsbereich ist eher für DWT, CD und TV interessant. Dabei geht es um die Frage, inwieweit sie in Gefahr sind, sich mit dem Gesetz in Konflikt zu begeben, wenn sie als Männer in Frauenkleidung außerhalb ihrer eigenen vier Wände unterwegs sind.
Die triviale Antwort lautet: es ist für Männer nicht verbotener Kleider und Röcke zu tragen, als für Frauen Hosen zu tragen!
Doch weil fast jede von uns ein wenig Angst hat, wenn sie in Frauenkleidung auf Polizisten trifft, bohre ich die Thematik doch ein wenig auf.
Im Strafrecht, also insbes. dem Strafgesetzbuch (StGB) finden sich als mögliche Rechtsgrundlagen für Sanktionen nur zwei Normen. Und auch die sind nicht für uns einschlägig. Ich erwähne sie nur, weil sie immer mal wieder als Schreckgespenster durch Foren geistern. Es sind
§ 183 StGB: exhibitionistische Handlungen und
§ 183a StGB: Erregung öffentlichen Ärgernisses
Schon die systematische Einordnung in den Abschnitt „Maßnahmen gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ macht zweifelsfrei klar, dass es hier um Sexualstraftaten geht und nicht um das Verbot bestimmter Kleidung. Das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts ist per se definitiv nicht schon eine exhibitionistische Handlung. Nur wer gar keine Kleidung trägt oder z.B. die größere Flexibilität von Röcken nutzt, um anderen seine Geschlechtsteile zu präsentieren, hat hier etwas zu befürchten. Doch mein Thema ist Crossdressing und nicht Exhibitionismus. Also: vergesst das StGB.
Ordnungswidrigkeiten
Unterhalb der Ebene des Strafrechts gibt es das Polizei- und Ordnungsrecht. In dem ist in einer Vielzahl von Normen und Gesetzen definiert, was man alles als Bürgerin oder Bürger nicht darf, auch ohne dass es gleich eine Straftat ist.
Spezifische Regelungen zur Kleidung in der Öffentlichkeit gibt es nicht. Es gibt auch keine Pflicht, dass unser aktuelles Aussehen dem Bild auf Führerschein oder Personalausweis ähnlich sehen muss.
Jedoch bieten die landesrechtlichen Gesetze zur Regelung der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, kurz SOGs genannt, eine Eingriffsmöglichkeit. Die sog. polizeirechtlichen Generalklauseln erlauben allgemein polizeiliche Eingriffe (wie z.B. Platzverweisung, Gewahrsam, Identitätsfeststellung). Voraussetzung ist jedoch immer, dass die Bürgerin oder der Bürger die „öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ stört. Auch Nichtjurist*innen dürfte auffallen, dass der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ eine sehr hohe Interpretationsoffenheit hat. Vereinzelte Berichte, nach denen weiblich gekleidete Männer als Störer in diesem Sinne angesehen und von deutschen Polizist*innen als solche behandelt wurden, kann ich weder aus der Fachliteratur noch aus der Rechtsprechung verifizieren. Daher vermute ich, dass es solche Vorkommnisse in Deutschland (wenn überhaupt!) nur in extremsten Einzelfällen gibt bzw. gab.
Und sollte jemand entsprechend von einem „Ordnungshüter“ traktiert werden, halte ich dies (um es noch mal klar zu sagen) für rechtswidrig. Argument: wenn das TSG bereits vor geschlechtsangleichenden Maßnahmen die Betroffenen verpflichtet, im Zielgeschlecht zu leben, dann kann das entsprechende Verhalten (u.a. Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts) unmöglich eine Störung der öffentlichen Ordnung sein.
Darüber hinaus ist sowieso eine Tendenz festzustellen, dass der von Fachleuten schon lange als antiquiert angesehene Begriff der „Öffentlichen Ordnung“ mehr und mehr aus den SOG der Länder verschwindet. Und eine Gefahr der „öffentlichen Sicherheit“ sind imho nicht mal GANZ KURZE RÖCKE in Verbindung mit GANZ LANGEN BEINEN auf GANZ HOHEN ABSÄTZEN.
Zusammenfassung
Mein Resümee lautet also:
Mädels, wir sind tun nicht nur nichts Verbotenes, sondern haben darüber hinaus auch das (Grund)Gesetz auf unserer Seite.
Im Falle eines Angriffs, einer Diskriminierung oder einer Belästigung werden wir bei dem, was wir tun, von der Rechtsordnung geschützt und können uns auf sie berufen.
Und bei Gefahr sollten wir uns auch nicht scheuen, uns in die starken Arme eines Polizisten zu flüchten (seufz!).
© Jula 2005/2006/2011/2017/2020