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Ehe für Alle!

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Was bedeutet die „Ehe für alle“ für Transpersonen?

Lange galt die zwingend zweigeschlechtliche Ehe als Argument, warum der Gesetzgeber das Recht von Trans* nicht endlich fortschrittlich regelt.

Mit dem Beschluss zu BT-Drucksache 18/6665 am 30. Juni 2017 hat sich die Lage geändert.
Durch Ergänzung von § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird klargestellt, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen können.
§ 1353 Absatz 1 Satz 1 lautet nun:
Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.

Damit ist ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zu einem fortschrittlichen Recht für Transgender in Deutschland weggefallen. Ein näherer Blick in den Gesetzesentwurf zeigt die Querbezüge zwischen den beiden Themen.

Ein Auslöser der Thematik war das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zum Fortbestand der Ehe trotz Änderung des Personenstandes. Für Transpersonen war damit die Situation grundsätzlich in Ordnung. Damit war zugleich für das Verständnis der Ehe insgesamt eine Wende eingeleitet. Das Urteil des BVerfG bzw. die Reaktion darauf durch den Bundestag war ein erster Riss im Dogma von der strikten Zweigeschlechtlichkeit der Ehe.

Folgende Passage findet sich in der Drucksache auf S. 8:
Zu diesem Wandel des Eheverständnisses hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Transsexuellengesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1978) mit beigetragen. Durch dieses Gesetz ist § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes ersatzlos gestrichen worden, weil das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift für nichtig erklärt hatte (vgl. BVerfGE 121, 175). Sie ließ die rechtliche Änderung des Personenstands bei einem verheirateten Transsexuellen nur zu, wenn dieser sich zuvor hatte scheiden lassen. Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte der Gesetzgeber auch anders reagieren können. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihm ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt zu bestimmen, dass das als „Ehe“ begründete Rechtsverhältnis zwar mit gleichen Rechten und Pflichten, aber unter anderem Etikett weitergeführt wird. Damit sollte es dem Gesetzgeber ermöglicht werden, die strikte Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe zu verteidigen. Diesem Gesichtspunkt hat der Gesetzgeber keine entscheidende Bedeutung beigemessen und durch die Streichung des § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes gleichgeschlechtliche Ehen zugelassen. Es gibt infolgedessen in Deutschland schon jetzt legale gleichgeschlechtliche Ehen.

Der Bundestag hätte also diese Ehen per Gesetz in Lebenspartnerschaften (mit 100% gleichen Rechten!) umwandeln können. Damit hätte man aber implizit zugestehen müssen, dass die Lebenspartnerschaft eben doch nicht das Gleiche wie die Ehe ist. Da schien das Zulassen einer überschaubaren Zahl von echten gleichgeschlechtlichen Ehen das wohl kleinere Übel zu sein.

Jedoch hatte man damit einen Präzedenzfall geschaffen. Er machte die schwierige Argumentation notwendig, zwischen zulässigen gleichgeschlechtlichen Ehen (solche, die es durch Veränderungen geworden sind) und unzulässigen (solche, die so neu geschlossen werden) sachlich zu differenzieren.

So ist das mit Dogmen: sie gelten ausnahmslos … oder gar nicht. Schon eine winzigkleine Ausnahme wie die wenigen gleichgeschlechtlichen Ehen in der Folge der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, stellt das Dogma insgesamt in Frage. So, wie auch ein Luftballon schon durch ein winzigkleines Loch nicht mehr funktioniert.

Direkte Auswirkung auf das TSG

Der Gesetzesbeschluss zur Ehe für alle hat aber auch konkrete Auswirkungen auf das bestehende TSG.
Wenn es echte gleichgeschlechtliche Ehen gibt, dann ist eine Norm, die den Anschein einer gleichgeschlechtlichen Ehe verhindern will, ziemlicher Unfug.

Eine solche Regelung gibt es aber immer noch im TSG. Es ist § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG. Sie betrifft Transsexuelle, die zwar den Vornamen haben ändern lassen, aber nicht den Personenstand, die früher sog. „kleine Lösung“.

Zwar war sie vom BVerfG bereits 2005 für unanwendbar erklärt worden (siehe die Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005), doch stand die Norm immer noch im Gesetz, weil man diese Personen eventuell doch auf die nunmehr obsolete Lebenspartnerschaft verweisen und ihnen die Ehe vorenthalten wollte.

In der Drucksache steht auf S. 10:
In § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG wird bestimmt, dass bei Transsexuellen, die nach erfolgter Vornamensänderung eine Ehe eingehen, die Vornamensänderung automatisch unwirksam wird. Mit dieser Regelung sollte der Anschein einer gleichgeschlechtlichen Ehe verhindert werden. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist der gesetzgeberische Grund für diese Regelung entfallen, so dass auch § 7 Absatz 1 Nummer 3 TSG ersatzlos zu streichen ist.“

Damit ist ein weiterer Ärgerpunkt im aktuell noch bestehenden TSG beseitigt.

Fazit

Jetzt bleibt als Hindernis für eine flexible, menschrechtskonforme Neuregelung des Rechts für Trans* im Wesentlichen noch die starre Haltung im Namensrecht.
Dann kann das TSG endlich weg!

PS: Sehr lohnend ist übrigens ein Blick in das Plenarprotokoll unter der launig-souveränen Leitung von Herrn Lammert.

© Jula Böge 2017

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