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Weg mit dem TSG!

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Das TSG kann weg!

Das TSG kann weg und bei der Gelegenheit, kann man die Gesellschaft auch gleich ein wenig modernisieren!

Seit 1981 gibt es in Deutschland das Transsexuellengesetz. Sein Ziel war es, transsexuellen Personen die Möglichkeit zu eröffnen, den Vornamen und den Personenstand zu ändern. Beides Dinge, die ansonsten nicht oder nur sehr schwer möglich waren.

Zugleich mit dem Eröffnen der Möglichkeiten, wurden Hürden eingebaut. Viele dieser Hürden existieren nicht mehr. Das ist dem BVerfG zu verdanken, das nach und nach verschiedene Anforderungen des TSG für verfassungswidrig erklärt hat. Das wiederum hat dazu geführt, dass es aktuell in Deutschland Überlegungen zur Reform des TSG gibt. Dieses Vorhaben wird von der aktuellen Bundesregierung, genau wie von ihrer Vorgängerin, nicht besonders ambitioniert betrieben.

Da mich das Thema berührt, habe ich dazu eine Meinung und die lautet: Das kann weg!

Braucht es überhaupt ein TSG?

Damit diese Position verständlich ist, ist es gut darüber nachzudenken, wieso es das TSG überhaupt gab und warum es so war, wie es war.

Die freiheitlichen Aspekte des TSG hatte ich bereits kurz erwähnt. Es ging darum, Personen, die das Leben in ihrem Geburtsgeschlecht nicht aushalten, die Möglichkeit zu geben, ihren Namen und ihren Personenstand zu wechseln

Hintergrund dazu ist, dass das Namensrecht in Deutschland sehr restriktiv ist. Es gibt kein Recht auf freie Namenswahl. Wer wissen möchte, wie man Vornamen ändern kann, der muss in die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV)“ schauen. Dort findet man ab Ziffer 60 die einschlägigen Regelungen. Um einen Vornamen zu ändern, braucht man in Deutschland einen wichtigen Grund.

Das mag früher mal sinnvoll gewesen sein. Da glaubte man noch an Argumente, wie:: „Wenn das jeder dauernd machen würde, wo kämen wir denn da hin?!“ Doch inzwischen sollte es uns gelingen, Personen auch nach Namenswechseln nicht mehr aus den Augen zu verlieren.

Es ist schon nachvollziehbar, das nicht vollkommen ungeregelt zu lassen. sonst würden Personen auf der Flucht vor ihren Gläubigern vielleicht ihre Namen so schnell und häufig ändern, dass wirklich bald keiner mehr durchblickt.

Doch das bedeutet nicht, dass gar nichts gehen darf. Im englischen Common Law stehen Vor- wie Nachnamen zur freien Disposition des Bürgers bzw. der Bürgerin. Wenn uns das zu freiheitlich ist, könnte man Fristen einführen. Wie z.B. in Australien, wo nur höchstens zwei Namensänderungen pro Jahr zulässig sind.

Das Personenstandsgesetz wurde zwar auf Druck des Bundesverfassungsgerichts für Änderungen des Personenstandes geöffnet (siehe m/w/d), doch diese Regelung soll nach Rechtsprechung des BGH nicht für Transgender gelten (siehe Die Tür ist wieder zu).

Wenn es bloß um Namen und Personenstand gegangen wäre, wäre das TSG nicht nur viel kürzer, sondern vor allem viel einfacher. Der meiste Platz im TSG wurde nämlich dafür verbraucht, die Voraussetzungen und Verfahren zu regeln, unter denen die Betroffenen ihr Anliegen umsetzen konnten.

Hinweis:  Anders als man vielleicht erwarten sollte, regelt das TSG die weiteren Themen, also insbesondere die Krankenversicherungsaspekte (insbes. Kostentragung für Behandlungen) nicht!

Wer oder was sollte mit dem TSG geschützt werden?

Der Staat vor den Betroffenen

Da könnte ja jeder kommen!“ Im Kern geht es hier um die Wahrung der Rechtssicherheit. Man stelle sich mal vor jede/r Bürger/in könnte schnell und unkompliziert ihren Namen und sogar ihren Personenstand ändern.
Ja, dann …, dann wäre das halt so!

In vielen Ländern der EU geht zumindest das mit dem Namenswechsel durch schlichten Antrag schnell und billig.

Vielleicht war das in den 70ern noch nicht so. Aber heute ist es mit der computergestützten Verwaltung kein Problem mehr, eine Person auch dann zu identifizieren, wenn sie ein oder sogar mehrere Male den Namen wechselt. Das geht bei Leuten, die durch Heirat oder Scheidung ihren Familiennamen ändern, doch auch!

Ich glaube ehrlich gesagt weder, dass viele Leute in Deutschland auf die Idee kämen, durch einen Geschlechtswechsel ihren Gläubigern zu entkommen, noch dass ein solcher Versuch überhaupt funktionieren würde.

Mittlerweile vom BVerfG (wie schon vorher vom Menschenrechtskommissar des Europarates) als menschenrechtswidrig gebrandmarkt, gab es im TSG lange die Forderung, dass eine Personenstandsänderung nur dann in Frage kommt, wenn die betreffende Person zeugungsunfähig ist. Da das bei den meisten Menschen natürlicherweise nicht der Fall war, lief die Vorschrift auf eine gesetzlich angeordnete Kastration hinaus.
Das lässt sich mit einem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht mehr erklären.

Die (schon vorher vom BVerfG kassierte) Pflicht, bestehende Ehen vor dem Personenstandswechsel zu beenden, diente der Aufrechterhaltung des wichtigen Rechtsguts der strikt zweigeschlechtlichen Ehe.

Die Betroffenen vor sich selbst

Andere Inhalte des TSG hatten als zu schützende Personen eindeutig die Betroffenen selbst im Fokus.

Mindestalter, gerichtliches Verfahren, Gutachten … all diese Regelungen sind nur damit erklärbar, dass man den antragstellenden Personen sehr gründlich die Gelegenheit geben wollte, darüber nachzudenken, ob sie wirklich wissen, was sie wollen. Mehr noch, die Betroffenen wurden gezwungen das zu tun.

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellenden erwachsene Leute waren, ist das eine verblüffende Fürsorge. Immerhin sind es Menschen, die wählen dürfen und teure Dinge kaufen und (falls Führerschein) auch Auto fahren. Vor einer Ehe wird schließlich auch nicht geprüft, ob eine der beteiligten Personen eventuell nicht genau weiß, was sie tut.

Wie sieht es heute aus?

Die Schutzüberlegungen, so relevant sie vielleicht mal gewesen sein mögen, haben sich inzwischen überlebt.

Wir sollten inzwischen so weit sein, dass man erwachsene Menschen vor einer Vornamens – oder Geschlechtsänderung nicht stärker schützen muss, als vor einer Heirat. Unser Staat sollte verstanden haben, dass Transgender dem Wahnsinn nicht näher sind als jede/r andere Bürger/in. Wir wissen folglich , was wir tun. Mit den Konsequenzen müssen wir ohnehin leben.

Für die rechtliche Umsetzung der Änderungen braucht es kein eigenes Gesetz mehr. Das könnte man in den betroffenen Gesetzes unkompliziert und knapp regeln.

Wie sollte es sein?

Die Welt dreht sich nicht um die Minderheiten. Aber die Minderheiten können der Anlass sein, Freiheiten für alle Menschen umzusetzen, die den Einzelnen sehr helfen und dem Staat nicht wehtun. Am schönsten wäre deshalb ein großer Wurf!

1. Öffnen des Instituts der Ehe für zwei sich Liebende egal welchen Geschlechts
Damit hört das unwürdige Gezicke um eine echte gleichgeschlechtliche Ehe auf und die Ehe ist kein Argument mehr, verfassungsrechtlich bedenkliches Sonderrecht für Transgender produzieren zu müssen. Weil das Erfordernis der Auflösung der Ehe vom BVerfG gekippt wurde, gibt es in Deutschland inzwischen sowieso schon echte(!) Ehen zwischen zwei Frauen oder zwei Männern.

Update Juli 2017: Update! Mit dem Beschluss des Bundestages vom 30. Juni 2017 hat sich die Situation geändert. Es gibt nunmehr die gleichgeschlechtliche Ehe. Siehe Ehe für alle

2. Namenswechsel geregelt in der NamÄndVwV auf Antrag und ohne weitere Voraussetzungen für jede/n
Groß erfinden müsste man da nichts, man müsste bloß bei den skandinavischen Nachbarn abschreiben.

3. Liberalisierung des Rechts auf einen zweiten Namen
Damit meine ich nicht „Rainer Maria“. Sondern einen echten zweiten Namen mit dem man sich ausweisen kann, Kreditkarten haben kann und Flugtickets kaufen kann.

Aktuell gibt es im Personalausweisgesetz die Möglichkeit, einen Ordens- oder Künstlernamen als zweiten Namen einzutragen.  Was Nonnen und Fernsehmoderatoren billig ist, das sollte als Recht allen Menschen zugänglich sein. Tatsächlich würde man vielen Menschen, die sich aktuell in einer rechtlichen Grauzone bewegen müssen, eine Chance auf Authentizität und Anerkennung geben.

4. Wegfall des Merkmals „Geschlecht“ im Personenstandsgesetz.
Wie man am Beispiel der DSD-Betroffenen sieht, gibt es viele Personen, die schon biologisch nicht in das einfache Raster Mann oder Frau passen. Hinzu kommen Personen, für die aufgrund ihrer Identität die Entscheidung für eines von zwei Geschlechtern immer nur ein schwieriger Kompromiss sein kann.

Die Einführung einer dritten Geschlechtsoption schafft fast so viele neue Probleme, wie sie alte löst. Deshalb: Weglassen! Gem. Artikel 3 GG darf es für den Staat ohnehin keinen Unterschied machen, welches Geschlecht eine Person hat. Dann muss er eigentlich auch nicht darüber Buch führen.

Wem das zu weit geht: Änderung des Geschlechts auf Antrag, geregelt durch eine Ergänzung des PStG.

Ohne TSG in eine bessere Gesellschaft

5. Regelung der Kostenübernahme für medizinische Behandlungsmaßnahmen im SGB V.
Da die großen medizinischen Diagnoseraster (insbes. ICD, aber auch DSM) Gender Diversität nicht mehr als Krankheit sehen, ist die Kostenübernahme für Behandlungskosten wackelig. Hier muss der Staat gesetzlich regeln.

6. Nicht vergessen: Aufheben des derzeit noch gültigen Rest-TSG

Fertig 🙂

© Jula Böge 2015/2017/2020

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