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Gibt es typische Transgender-Hobbies?

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Kann es sein, dass scheinbar unspezifische Dinge, die nichts mit Crossdressing, Mann-Frau-Themen und allem zu tun haben, trotzdem eine starke Nähe zur Transgender-Thematik haben? Kann es sein, dass meine Neigung an ganz verschiedenen Stellen meine Vorlieben und Hobbies geprägt hat? Gibt es vielleicht typische Trannie-Vorlieben?

Mehrere Bereiche habe ich, natürlich ausgehend von mir selbst (mein liebstes Studienobjekt), identifiziert. Wobei ich behaupte, dass ich nicht alleine in Tranniekreisen mit diesen spezifischen Vorlieben bin. Okay, ich habe keine richtige, methodisch korrekte Studie gemacht, aber ich habe eine Menge Profile und Nickpages von Trannies (als Oberbegriff gemeint) gesehen. Und da meine ich einige verdächtige Begriffshäufungen bemerkt zu haben. Nein, ich rede nicht von der vielfach bekundeten Liebe zu Highheels, Strümpfen und Brautkleidern. Das ist ja wohl selbstverständlich! Nein, es sind andere Dinge. Hobbies und Vorlieben, die auf den ersten Blick nichts mit der Trans-Sachen zu tun haben.

Um dem nachzuspüren, habe ich eine entsprechende Frage in einem Transgender-Forum gepostet.

Hier das Ergebnis der Umfrage „Gibt es typische Trannie Hobbies?“:

Science Fiction und Fantasy (Filme und/oder Literatur) ( 6 )
Modellbau und Basteln ( 6 )
Fotografie ( 8 )
Motorrad fahren ( 5 )
mehrere der oben genannten! ( 13 )
nichts davon! ( 14 )

Stimmen insgesamt : 52

Obwohl ich nur wenige, spezifische Alternativen vorgegeben habe, konnten drei Viertel der Antwortenden damit etwas anfangen. Und 25 Prozent bestätigten sogar, mehrere der genannten Hobbies zu haben.

Das ist um so verblüffender, als ich große Bereiche, wie Sport oder Musik ganz weggelassen habe. Trotzdem können sich 75 Prozent mit einem oder sogar mehreren der genannten Hobbies identifizieren.

Wie kommt das?
Da habe ich natürlich meine Meinung.

Allerdings nicht zum Thema Modellbau und Basteln, das sehr häufig vertreten ist. Aber weil ich es in meiner Jugend aufgegeben habe (Einsicht in die massiv fehlende manuelle Begabung) lasse ich es außen vor. Obwohl es in der Häufung schon sehr verdächtig ist.

Science fiction / Fremde Welten

Mag sein, dass es die eine oder andere Trannie gibt, die keine Science Fiction mag. Ausnahmen gibt es immer wieder. Doch sehr viele von uns stehen auf Star Wars, Raumschiff Enterprise und den Herrn der Ringe. Ich weiß, dass letzteres keine SF ist, aber es passt trotzdem ins Schema. Dieses Schema, für das ich den Kurzbegriff SF gewählt habe, sind „fremde Welten“, andere Realitäten, in denen Dinge möglich sind, die in unserer Welt nicht geschehen können.

Egal ob es an Magie oder hochentwickelter Technologie liegt, ich liebe phantastische Literatur und Filme, weil dort Dinge geschehen können, die jenseits der Beschränkungen unserer Welt liegen. Mich in solche Welten hineinzuträumen, war fär mich immer ein Akt der Hoffnung. Ich konnte mich in andere Welten und Kulturen träumen, in denen Raum und Zeit durch Technik oder Geisteskraft überwindbar waren.

Warum mir das so wichtig war? Das ist wohl fast offensichtlich. Weil ich an den Beschränkungen (im Prinzip geht es bloß um eine!) dieser Welt gelitten habe: ich konnte und kann meinen Körper nicht durch Magie und Medizin oder Physik gegen einen anderen tauschen. Weder temporär noch für immer. In unserer Realität gibt es weder Gestaltwandelzauber noch Bewusstseinsübertragung. Aber Fantasiereisen ermöglichen mir den zeitweisen Aufenthalt in Welten wo es so etwas gibt oder zumindest geben könnte.

Fotografie

Ein ganz anderes Thema. Hobby: Fotografieren! Auch hier glaube ich, diese Vorliebe mit vielen anderen Transgendern zu teilen. Und ich rede hier explizit nicht von der manchmal eher unästhetischen Neigung von Trannies, sich selbst in möglichst femininer Ausstattung zu knipsen und die Bilder wie Schätze zu hüten und teils auch stolz zu präsentieren. Ich rede von ambitionierter Hobbyfotografie. Mit einer richtig teuren Ausrüstung und gerne auch eigenem Labor. Mit postergroßen Abzügen der besten Bilder an den heimischen Wänden. Doch während es eben noch eine recht naheliegende Erklärung für den Zusammenhang gab, liegt die Sache hier vielschichtiger. Ich meine bei mir zwei ganz verschiedene Triebkräfte festgestellt zu haben.

Das Unsagbare ausdrücken

Wie viele andere Transgender auch bin ich hochgradig optisch orientiert. Visuelle Reize sind mein Lebenselixier, Optik und Ästhetik gehen Hand in Hand. Und die Kamera gibt mir die Möglichkeiten, meine ästhetischen Vorstellungen nicht nur zu konservieren sondern auch zu kommunizieren. Bilder von Schönheit: Landschaften, Blumen, Menschen. Aber auch Bilder, die von Gefühlen sprechen: Verzweiflung, Niedergeschlagenheit, Trauer. All die Gefühle, gute wie schlechte, die ich wegen meiner geheim gehaltenen Besonderheit nicht in Worte fassen durfte, konnte ich über die Fotos aller Welt zeigen. Nun ja, entweder waren meine Bilder bei weitem nicht gut genug, oder die Botschaft zu versteckt, jedenfalls ist nie jemandem aufgefallen, dass meine Bilder (jedenfalls die wenigen echt guten) auch Botschaften von mir enthielten.

Je mehr du fotografierst…

…desto weniger bist du drauf! Albern, aber wahr. Wer hinter der Kamera die Fotos macht, ist später selten oder nie im Fotoalbum oder der Diashow zu bewundern. Ich hatte mich immer gerne mit der ehrenvollen Aufgabe des Party- und Eventfotografen betrauen lassen. Das senkte nämlich die Gefahr ungemein, dass ich mich später bei fotobeflügelten Erinnerungsorgien der Erkenntnis stellen musste, dass ich der große Mann da mittendrin war. Ich mochte und mag noch immer nur sehr bedingt Bilder, die mich als Mann zeigen.

Je weniger es davon gibt, um so besser. Sie zeigen für mich nämlich nicht den Menschen, als den ich mich gerne sehen würde, sondern den, der ich für fast alle anderen nun mal bin. Und um es noch schlimmer zu machen: diese Bilder sind wahrscheinlich das, was später von mir bleibt, wenn andere an mich denken. so ist die Fotografie meine Chance gewesen, diese nach meinem Empfinden falschen Darstellungen zu vermindern. Sie erinnern mich nämlich immer daran, was ich bin und wie ich für alle Welt aussehe.

Motorrad fahren

Es ist unglaublich, wie viele Transgender ein Motorrad fahren! Sicher gibt es viele Trannies, die kein Mopped haben, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass überdurchschnittlich viele von uns die Leidenschaft für schnelle Maschinen teilen. Aber wieso nur? Sind Motorräder nicht „mucho macho“? Typische Männerspielzeuge? Tja, für mich bedeutet meine Suzi ganz etwas anderes, jedenfalls nichts männliches.

Motorrad fahren nimmt mich direkt und ganz in Anspruch. Da bleibt kein Raum an anderes zu denken als die Straße und die Maschine. Während sonst meine Gedanken sehr schnell um die Frage kreisen, wer oder was ich „eigentlich“ bin, bin ich auf dem Motorrad einfach nur ich und kann es genießen. Im Fahrtwind bleibt die Unzufriedenheit mit mir selbst und meiner Situation zurück, ebenso wie die Zweifel über meine Identität. Meine Suzi lässt mich meinen Grübeleien entfliehen.

Die Gegenprobe

Seit ich mehr dazu stehe, Jula zu sein und mehr Menschen von meiner weiblichen Seite wissen, hat sich auch bei meinen Vorlieben etwas geändert. Nicht daran, was ich gerne tue, aber an der Intensität bzw. an der Art, wie ich das Hobby betreibe.

Fremde Realitäten, ambitionierte Fotografie und schnelle Ritte auf zwei Rädern, all das brauche ich in letzter Zeit viel weniger.

Ich lese kaum noch utopische Romane und schaue weniger SF-Filme.

Ich finde es nicht mehr ganz so schlimm, mich als Mann fotografieren zu lassen und meine Fotos sind aktuell eher schöne Abbildungen und sollen Erinnerungen durch Dokumentation stützen, aber kaum noch Statements.

Ich fahre immer noch liebend gerne Motorrad aber nun so, dass dabei auch andere Gedanken möglich sind.

© Jula 2006

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