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FRA Report 2015

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Die Europ. Grundrechte-Agentur (FRA) hat ihren Report von 2010 aktualisiert.
Die verschiedenen Dokumente findest du hier: https://fra.europa.eu/en/publication/2015/being-trans-eu-comparative-analysis-eu-lgbt-survey-data-summary

Speziell für LGBTI-Personen bietet die FRA einiges an sehr fundierten Papieren, teils sogar auf deutsch.
Ein Überblick: http://fra.europa.eu/de/theme/lgbt-personen/publications

Selbstbeschreibung: „Die FRA trägt dazu bei, dass der Schutz der Grundrechte von in der EU lebenden Menschen gewährleistet wird. Sie tut dies, indem sie Informationen über die Grundrechtesituation in der gesamten Europäischen Union sammelt und auf diesen Informationen beruhende Empfehlungen, zur Verbesserung der Situation gibt. Zudem informiert die FRA Menschen über ihre Grundrechte. Auf diese Weise trägt sie dazu bei dass Grundrechte in der Europäischen Union für jeden zur Realität werden.

Ganz kurz

Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte von LGBTI-Personen ist ein wichtiger Bestandteil der Agenda der EU. Viele Beispiele zeigen, dass seit 2010 Fortschritte gemacht wurden. Trotzdem gibt es noch viel zu tun.

Allgemein

Es ist erstaunlich, dass im Zentrum des Papiers, obwohl es die gesamte Gruppe von LGBTI behandelt, offensichtlich Trans-Personen stehen. Grund dafür dürfte sein, dass – wie mehrfach deutlich gesagt wird – die Situation von Trans-Personen im Hinblick auf ihre Grundrechte immer noch besonders schlimm ist.
Ein großer Nutzen des Berichtes ist, dass er die verschiedenen Problemfelder sehr vollständig und systematisch aufgliedert. Damit wird deutlich, wo es überall noch Arbeitsfelder im Hinblick auf die volle Gewährleistung von Menschenrechten für LGBTI-Personen gibt.

Der Bericht zeigt und sagt es auch, (s S. 15) dass es langsam zu einem besseren Verständnis von Gernderidentität und den sich daraus ergebenden Problemen kommt. Er zeigt jedoch auch, wie groß die Probleme immer noch sind.

Der Datenstand der Aktualisierung ist meist Mitte 2014, vereinzelt aber auch aktueller. Teils wurden Entwicklungen bis Oktober 2015 berücksichtigt.
Es wird für das Jahr 2016 ein Expertenbericht angekündigt, der sich basierend auf soziologischer Forschung mit der Grundrechts-Situation von LGBT in 19 Mitgliedstaaten auseinandersetzt.

Was ich hier mache

Was ich nicht leisten kann, ist eine komplette Übersetzung des Papiers, obwohl es das durchaus wert wäre. Stattdessen gebe ich eine kurze, persönliche Zusammenfassung der Inhalte und wesentlichen Aussagen. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf den ersten Teil des Papiers in dem es um die rechtliche Anerkennung des bevorzugten Gender geht.

Terminologie des Berichtes

  • Trans-Person:
    Dieser Terminus wird als Oberbegriff für alle Menschen verwendet, die ihr Gender anders definieren als das von ihnen aufgrund ihres körperlichen Geschlechtes erwartet wird.
    Er umfasst, Transgender, Transsexuelle, Transvestiten, Crossdresser und viele andere mehr.
  • Transsexuelle:
    Dieser Begriff wird in dem Bericht spezifisch für solche Personen verwendet, die eine körperliche Anpassung durch Operationen anstreben oder sich ihr unterzogen haben.
  • Genderidentität:
    Dieser Begriff wird übereinstimmend mit den Formulierungen der Yogyakarta Prinzipien als das intensive innere Gefühl einer Person verstanden, dass sie oder dass sie nicht dem Gender angehört, dass ihr bei Geburt zugewiesen wurde.Dazu gehört der persönliche Wunsch nach einem Körper oder anderen Ausdrucksformen für das Gender inclusive der Kleidung, der Sprache und dem Verhalten.

Wesentliche Inhalte speziell zu Genderidentität

Entpathologisierung

In den letzten Jahren ist die Erkenntnis  gewachsen, dass Trans-Personen nicht krank sind. Dem wird z.B. dadurch Rechnung getragen, dass in den internationalen Klassifikationssystemen ( Insbes. DSM und ICD) der Begriff der Störung (disorder) aktuell durch den Begriff der Inkongruenz ersetzt wird. Die Forderung nach Entpathologisierung steht ausdrücklich auch in der Resolution des EU Parlaments von 2011, Punkt 16.

Eine zwangsläufige Folge dieser Sicht der Dinge ist, dass Trans-Personen theoretisch keine medizinische Diagnose benötigen dürften, damit ihre Genderinkongruenz rechtlich anerkannt wird.

Die Praxis sieht jedoch in vielen Mitgliedstaaten und auch in Deutschland noch anders aus. Nur wenige Staaten erlauben es Personen, ohne medizinische  oder psychologische Gutachten ihr offizielles Gender ändern zu lassen. Dänemark und Malta werden im Bericht als positive Ausnahmen hervorgehoben.

Geschlechtsangleichung

Neben dem Erfordernis einer entsprechenden Diagnose (siehe Entpathologisierung) wird in vielen Mitgliedstaaten das Erfordernis von geschlechtsangleichenden Maßnahmen, damit der gewünschte Personenstand gewährt werden kann. Jedoch ist es gar nicht in allen Mitgliedstaaten möglich, geschlechtsangleichende Operationen durchführen zu lassen.

Rechtliche Anerkennung der Genderidentität

Laut Bericht gibt es in der EU den Trend, dass solche Verfahren vereinfacht und standardisiert werden. Trotzdem sind die Hürden meist noch hoch (s. Enpathologisierung und Voraussetzung der Geschlechtsangleichung) zudem sind meist langwierige Gerichtsverfahren zu durchlaufen.

Ein Beispiel für solche hohen Hürden ist das deutsche TSG, das zwar Dank des BVerfG keine Zwangssterilisation und keinen Zwang zur Scheidung mehr kennt, aber immer noch Gutachten und Alltagstest verlangt und ein gerichtliches Verfahren vorschreibt. Deshalb: Weg mit dem TSG!

Aktuell gibt es nur drei Mitgliedstaaten in denen die individuelle Selbstbestimmung als Voraussetzung ausreicht. Tatsächlich gibt es nicht einmal in allen Mitgliedstaaten ein geregeltes Verfahren (unter welchen Voraussetzungen auch immer) für die  rechtliche Anerkennung der Genderidentität.

Ein besonderes Problemfeld ist die rechtliche Anerkennung von Trans-Kindern. Hier tun sich alle Staaten schwer. Das ist nicht besonders verwunderlich, wenn man nicht einmal Erwachsenen zutraut, verlässlich zu wissen, wer sie sind!

Korrektur des Geschlechts in offiziellen Papieren

Selbst wenn das Gender rechtlich anerkannt ist, hakt es häufig daran dass es keine Regelung gibt, ob und wie der Geschlechtseintrag in älteren Papieren zu ändern ist.

Recht auf Heirat bzw Zwang zur Scheidung

Nach wie vor wird es besonders schwierig, wenn es nicht nur um die Trans-Person selbst, sondern um ihre Beziehungen zu anderen Personen geht. Das betrifft sowohl Ehen als auch Aussagen zur Elternschaft.

Weil in den meisten Staaten gleichgeschlechtliche Ehen verboten sind, werden Trans-Personen oft gezwungen, sich scheiden zu lassen oder die Ehe wird annuliert. Das betrifft aber nicht nur die Trans-Personen, sondern ebenso die Rechte ihrer Partner/innen und Kinder.

Nämensänderung

Es gibt zwar eine wachsende Zahl von MItgliedstaaten, die einen Namenswechsel erlauben, so dass er zum bevorzugten Gender passt. Doch meist ist dieser an Voraussetzungen geknüpft.

In den Mitgliedstaaten sind alternativ oder kumulativ folgende Voraussetzungen üblich: Absicht im anderen Gender zu leben, Alltagstest, Psychologische Diagnose einer Geschlechtsidentitätsstörung, Hormonbehandlung, äußerliche physische Anpassung, medizinisches gutachten, Zeugungsunfähigkeit, Scheidung oder Annullierung der Ehe, Gerichtsentscheidung.

Deutschland ist, wie sich aus der Tabelle (s. S. 23) ergibt, eines von den Ländern mit sehr hohen Voraussetzungen für eine Namensänderung.
Einen Vorschlag, wie man das Namensrecht wirklich fortschrittlich gestalten sollte, habe ich in dem Artikel Mein Name gemacht.

Sonstige Inhalte des Berichtes

Verbesserter Schutz vor Diskriminierung

Der Bericht stellt fest, dass der Schutz von LGBTI-Personen gegen Diskriminierung nach wie vor ungenügend ist. Dies gilt für Trans-Personen in besonderem Maß (s S.8).

Versammlungsfreiheit

Der Bericht fordert die Mitgliedstaaten auf, die Sicherheit von LGBTI-Personen zu garantieren, wenn sie von ihrer Versammlungsfreiheit Gebrauch machen und sich insbes. bei „Pride“-Märschen öffentlich präsentieren. In der EU gibt es immer noch vier Mitgliedstaaten die solche Märsche als „homosexuelle Propaganda“ verbieten.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Pride-Märsche nicht nur in den Hauptstädten, sondern auch in der Provinz sicher für die Teilnehmenden sein sollten.

Umgekehrt gab es in den Mitgliedstaaten eine Menge Veranstaltungen bei denen es explizit homophobe und transphobe Hassreden gab.

Schutz vor Misbrauch, Hass und Gewalt

Immer noch gibt es viele solcher Straftaten. Das größte Problem aber ist die hohe Dunkelziffer. Aus Befragungen von Betroffenen weiß man, dass nur 6% der Vorfälle zur Anzeige gebracht werden.

Niederlassungsfreiheit, Familienzusammenführung
Obwohl EU-Bürger das Recht haben, sich innerhalb der EU niederzulassen, gibt es bei LGBTI Personen verschiedentlich Probleme, da gleichgeschlechtliche Partner/innen nicht als Familienangehörige akzeptiert werden.

Grundrechte von Intersexuellen

Der Kern des Problems wird darin gesehen, dass die meisten Mitgliedstaaten das Erfordernis haben, dass jedem Kind nach der Geburt entweder das weibliche oder das männliche Geschlecht zugewiesen wird. Wenn die Kinder körperlich nicht problemlos in eine der beiden Kategorien passen, dann werden sie operativ „normalisiert“. Das alles geschieht, bevor das Kind in der Lage ist, selbst über sich zu entscheiden.

Internationaler Schutz und Asyl

Genderidentität und sexuelle Orientierung sind eine häufige Ursache für Verfolgung in verschiedenen Staaten.  So ist z.B. Homosexualität in vielen Staaten eine Straftat. Trotzdem wird eine Verletzung dieser Menschenrechte nicht in allen EU Mitgliedstaaten als Asylgrund anerkannt.

Querverweise

© Jula Böge 2016

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