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„Ihr Männer!“

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Wenn ich eine Phrase in Gesprächen als besonders übel heraussuchen dürfte, wenn ich einen Satzanfang nennen dürfte, der mich direkt stinksauer macht, dann wäre es dieser.

Jemand (und dieser jemand ist IMMER weiblich) sagt zu mir etwas, das mit „Ihr Männer …“ beginnt und schon bin ich bedient. Unnötig zu sagen, dass Gleiches für die Abwandlung „Du als Mann …“ gilt!

Was von Seiten der Sprecherin folgt ist inhaltlich regelmäßig ein blödes, rollenbezogenes Stereotyp und von meiner Seite aus immer miese Laune. Dabei ist es übrigens vollkommen egal, ob nach den magischen Worten etwas Negatives oder etwas Positives kommt.

Die Alternativen empfinde ich als nicht so schlimm:

  • „Ihr Frauen …“ aus Männermund ist mir noch nicht passiert. Würde ich aber ganz bestimmt genießen.
  • „Wir Frauen …“ ist mir schon einige Male passiert und fand ich immer dann gut, wenn ich mitgemeint war. War das allerdings in Abgrenzung zu mir gemeint, dann siehe „Ihr Männer …“
  • „Wir Männer …“ entlockt mir höchstens ein Schmunzeln.

„Ihr Männer …“ macht mich fertig. Schlimmer: es macht mich wütend.
Ich hasse es, als Beispiel oder auch nur taugliches Anredeobjekt für männliches Verhalten, männliche Vorzüge oder Macken mit einbezogen zu werden!

Zum Vergleich: wenn ich jemanden, der z.B. 60 Jahre alt ist, mit „Ihr Alten..“ anrede, dann brauche ich keine weiteren Sprüche mehr zu klopfen, um unten durch zu sein. Oder ich spreche eine Frau, mit leichten Figurproblemen mit „Ihr Dicken …“ an. So freundlich kann der Ton gar nicht sein, sie wird mich hassen!

Genau so hasse ich es, wenn ich mit „Ihr Männer..“ für eine Gruppe vereinnahmt werde, zu der ich nicht so gerne gehören möchte.

Wahrscheinlich hasse ich es gerade deshalb so sehr, weil es naheliegend ist, mich als typisches Exemplar aus der Gruppe „Männer anzusprechen. Praktisch alles an mir ist fast immer männlich. Jedenfalls sieht das für andere Menschen so aus. Bis auf mein Inneres, meine gefühlte Identität. Die ist meist bei „kann ich selbst nicht sagen“ aber nur extrem selten bei „ich bin männlich und lasse mich gerne damit identifizieren“. Doch das sieht die Sprecherin nicht. Da ist viel zu viel scheinbar männliches an mir und diese Phrase in Bezug auf mich gebraucht erinnert mich daran. Da kann ich mich innerlich so weiblich sehen wie ich will. „Ihr Männer …“ bringt mich brutal auf den Boden der Tatsachen zurück.

Erschwerend kommt hinzu, dass solche Sprüche selten in Zweiergesprächen vorkommen, wo ich sie direkt korrigieren könnte und würde. Nein, sie kommen in geselliger Runde vor, wo ich in aller Regel nichts zurechtrücken kann, sondern es dulden muss, wenn ich nicht unbeteiligten Dritten meine besondere Situation offenlegen will. Dann steckt der Stachel in der Wunde und mehr und mehr Gift strömt in meinen Körper. Ich werde wütend und mies gelaunt und kann damit nirgendwo hin. Und wenn dann noch jemand bemerkt, dass Gewitterwolken um meinen Kopf herum aufgetürmt sind, dann kann ich nicht mal erklären, wieso die da sind.

Besonders übel empfinde ich es (was Wunder!), wenn die Sprecherin weiß, dass ich nicht der typische 08/15-Mann bin. Dann könnte ich sie direkt anbrüllen vor Wut. Meiner Frau ist das schon passiert, ohne dass sie sich einer Schuld bewusst war. Mir ist klar, dass ich überreagiere! Doch ich gehöre nicht zu „den Männern“ und sie weiß es! Warum wirft sie mich verbal in einen Topf, in den ich nicht gehöre? Warum verletzt sie mich?

Okay, ich bin nicht so paranoid zu glauben, das wäre Absicht. Es ist, da bin ich sicher, Gedankenlosigkeit.

Trotzdem ärgert es mich. Ich hacke ja bei anderen, mir lieben Menschen auch nicht dauernd auf deren wunden Punkten rum. Auf ihren Macken, ihren Ängsten. So viel Aufmerksamkeit bringe ich im Gespräch auf, dass ich niemanden an seine Schwächen erinnere, der mir lieb ist. Warum bringen meine Mitwisserinnen diese Höflichkeit nicht auch auf?

Also Frauen: ihr wisst jetzt, was in dem transidenten „Mann“ vor sich geht, wenn ihr ihn (und sei es auch noch so lieb gemeint) in einen Topf mit den „anderen Männern“ werft. Zumindest verletzt ihr ihn, wahrscheinlich macht ihr ihn sogar wütend.

Sagt doch lieber etwas über „uns Frauen“, meint ihn dabei mit und er wird euch dafür lieben!

© Jula 2006

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